Das Gleichstellungsbüro der Stadt Dortmund hat zusammen mit der Dortmunder Koordinierungsstelle für Lesben, Schwule & Transidente einen Leitfaden für eine gendersensible Sprache im Schriftverkehr, in Veröffentlichungen und Formularen bei der Stadt Dortmund herausgebracht. Dieser dient dazu, die geschlechtliche Diversität auch sprachlich zu berücksichtigen und nicht-binäre Menschen – jenseits von Mann und Frau – anzusprechen. Statt des generischen Maskulinums hält dort nun u.a. das Gendersternchen Einzug: “Kollegen” werden nun also zu “Kolleg*innen”, aus “Rednerpult” wird “Redepult”.
Viele Städte, Institutionen und Organisationen haben mittlerweile eine gendergerechte Sprache eingeführt, um ihre Adressat*innen genauer anzusprechen. Von manchen werden solche Bemühungen als Verkomplizierung der Sprache, als Wortverbot, als Behandlung eines Luxusproblems oder als das Aufspringen auf einen “Gender-Trend” gescholten. Das Gegenteil ist jedoch der Fall:
Die Einführung einer gendergerechten Sprache lediglich auf sprachlicher Ebene zu kritisieren, ist zu kurz gegriffen. Diskriminierungen finden tagtäglich auf verschiedensten Ebenen statt und äußern sich z.B. durch Gender-Pay-Gaps auf finanzieller Ebene (Sexismus), Racial Profiling auf polizeilicher Ebene (Rassismus) oder der damaligen Strafverfolgung von Homosexualität sowie der heutigen Pathologisierung von Trans*-Identitäten durch das sog. Transsexuellengesetzes auf gesetzlicher Ebene in Deutschland (Homophobie, Trans*feindlichkeit).
Diskriminierung hat viele Ebenen, der auf vielen Ebenen begegnet werden muss. Dies geschieht z.B. durch Gesetzesänderungen, Dialog und Aufklärung (wie z.B. bei SCHLAU Workshops ?) und eben auch durch Sichtbarmachung von Missständen. Probleme können aber nur dann auch sichtbar werden, wenn wir diese benennen können. Wenn unsere Sprache bisher binär war – also nur Frauen und Männer adressiert – werden andere Identitäten gar nicht sichtbar. Wie aber soll dann überhaupt über sie gesprochen werden? Es fehlen die Worte.
Der Genderstern ist ein Versuch, Diversität auch sprachlich sichtbar zu machen. Denn es gibt viele Untersuchungen, die zeigen: wenn Menschen z.B. das Wort „Physiker” hören, denken sie eben nicht automatisch an alle Geschlechter, sondern stellen sich vor allem eine männliche Person vor, die sich mit Physik beschäftigt. Auch wenn immer wieder der Einwand kommt, dass zwischen Genus und Sexus (also grammatikalischem und natürlichem Geschlecht) differenziert werden müsse: Frauen und nicht-binäre Menschen werden beim generischen Maskulinum nicht mitgemeint.
Bei SCHLAU Dortmund sprechen wir in unseren Workshops daher schon lang von “Physiker*innen”, “Schüler*innen” und “Lehrkräften”, wenn wir über diese Personengruppen sprechen. Viele unserer Teamer*innen, die mit Schüler*innen und Jugendgruppen in den Dialog gehen, sind selbst nicht-binär und erzählen davon, wie sehr ihnen persönlich eine gendergerechte Sprache hilft. Viele nicht-binäre Menschen haben erst dadurch, dass sie Wörter wie “nicht-binär”, “genderfluid” oder “agender” kennengelernt haben, endlich Worte für etwas gefunden, was sie schon lang in sich gespürt haben, aber aufgrund von fehlendem gesellschaftlichem Vokabular nicht benennen konnten.
All denjenigen, jetzt immer noch denken, es handle sich bei der aktuellen Sichtbarwerdung und Sichtbarmachung von nicht-binären-Geschlechtsidentitäten um den neusten Trend, empfehlen wir einen Blick über den Tellerrand hinaus: In anderen Ländern und Kulturen gibt es seit jeher viele Bezeichnungen für unterschiedlichste Geschlechtsidentitäten.
Was oft vergessen wird, ist die kolonialrassistische Tradition des Zwei-Geschlechter-Systems (siehe dazu etwa B. Binaohan in „Decolonizing Trans/Gender 101“). Denn in nicht-westlich-christlichen Gesellschaften gab und gibt es andere Geschlechtersysteme, die mehr als zwei bzw. andere Geschlechter kannten – die Baklâ auf den Philippinen, die Māhū auf Hawaii oder die Two Spirit in Nordamerika, um nur einige wenige zu nennen. Im Zuge des Kolonialismus wurden diese Systeme gewaltvoll zerstört. Damit wurde nicht-binären und nicht-weißen Personen ein untergeordneter Platz in der Gesellschaft zugeordnet.
Quelle: https://missy-magazine.de/blog/2017/10/04/hae-was-heisst-denn-nicht-binaer
Dass hierzulande nun Bemühungen entstehen, Identitäten sichtbar zu machen und ihnen Rechte einzuräumen, die ihnen über Jahrhunderte negiert und abgesprochen wurden, ist also längst überfällig. 2017 hat auch das Bundesverfassungsgericht gesetzlich zuerkannt, dass Menschen, “die sich dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen” durch Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG “vor Diskriminierungen wegen ihres Geschlechts” geschützt werden.
Abschließend bleibt zu sagen: Es gab und gibt mehr als zwei Geschlechter. Dies müssen wir anerkennen – nicht nur, aber auch in unserer Sprache. Der Leitfaden der Stadt Dortmund liefert allen, die ihren Horizont und ihren Wortschatz erweitern wollen, in übersichtlicher und kompakter Form eine hilfreiche Inspiration, Vielfalt sprachlich sichtbar zu machen.
Empfänger: Sunrise
IBAN: DE54 4405 0199 0001 2060 28
BIC: DORTDE33XXX
Verwendungszweck: Spende SCHLAU
Jetzt spendenBitte lesen Sie sorgfältig diese Informationen für Schulen und Lehrkräfte und stellen Sie bei der Terminvereinbarung sicher, dass die Anforderungen eingehalten werden.